Die „Zwei Kulturen“ im Zeitalter der generativen KI: Eine neue Herausforderung

In seinem Buch „Die zwei Kulturen“ legte C.P. Snow 1959 dar, wie die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften in einem Zustand der gegenseitigen Entfremdung existieren. Diese Kluft, so argumentierte er, hindert die Gesellschaft daran, ihre volle intellektuelle Kapazität zu nutzen. Fast ein Dreivierteljahrhundert später konfrontieren wir uns mit einer neuen Facette dieses Konflikts, diesmal im Kontext der generativen Künstlichen Intelligenz (KI).

KI im Alltag ist nicht nur für junge Leute - Haus der Senioren Rüsselsheim
KI im Alltag ist nicht nur für junge Leute – Haus der Senioren Rüsselsheim

Was ein gebildeter Mensch ist

Snow formulierte sinngemäß: „Ein gebildeter Mensch sollte in der Lage sein, eine einfache quadratische Gleichung zu lösen und ein Gedicht von Shakespeare zu interpretieren, weil die Unkenntnis der zweiten Kultur, der Geisteswissenschaften genauso dumm ist wie die Unkenntnis der ersten, der Naturwissenschaften.“ Heute gilt es noch als chic, damit in der Öffentlichkeit Eindruck zu schinden, weil man mit Mathematik auf dem Kriegsfuß stand.

Die Notwendigkeit einer Brücke

Die Entwicklung der generativen KI schreitet rasant voran und wird von Mathematikern, Informatikern und Naturwissenschaftlern dominiert. Diese technologische Avantgarde und die einfließenden Milliarden Dollar, Euro, Yuan aus Wirtschaft und staatlichen Institutionen treiben Innovationen voran, die das Potenzial haben, unsere Welt zu verändern. Doch während diese Disziplinen bahnbrechende Fortschritte machen, stehen Geisteswissenschaftler, Juristen, Philosophen, Lehrer und Künstler oft am Rande und kämpfen darum, Schritt zu halten. Diese Dynamik wirft wichtige Fragen auf: Verstärkt die Entwicklung der generativen KI die Kluft zwischen den „zwei Kulturen“? Und wichtiger noch, welche Auswirkungen hat dies auf die Gesellschaft als Ganzes?

Die Rolle der Geisteswissenschaften in der KI-Entwicklung kann nicht unterschätzt werden. Ethik, Recht, Philosophie und Kunst bieten unerlässliche Perspektiven, die sicherstellen, dass technologische Fortschritte im Einklang mit unseren gesellschaftlichen Werten und Normen stehen. Aber es ist zu bedenken, dass es drei große Blöcke mit unterschiedlichen Wertmaßstäben gibt (USA, Europa, China). Es ist auch ein Wettbewerb gesellschaftlicher Modelle.

Die Integration von Geisteswissenschaftlern in den KI-Entwicklungsprozess ist daher keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Sie kann dabei helfen, die ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen neuer Technologien zu navigieren und sicherzustellen, dass KI zum Wohl der gesamten Menschheit beiträgt.

Dynamische Gesellschaftsnormen und Werte

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Elastizität gesellschaftlicher Normen und Werte. Die Gesellschaft ist kein statisches Gebilde; sie entwickelt sich ständig weiter, oft als Reaktion auf technologische Innovationen. Diese Dynamik erfordert eine flexible Herangehensweise an die Entwicklung und Implementierung von KI, die in der Lage ist, sich an verändernde gesellschaftliche Werte anzupassen.

Die Herausforderung besteht darin, einen Rahmen zu schaffen, der sowohl die technologische Innovation fördert als auch die Integrität unserer gesellschaftlichen und ethischen Normen wahrt. Dies erfordert einen kontinuierlichen Dialog zwischen den Entwicklern generativer KI und Vertretern der Geistes.

Ein Aufruf zum Handeln

Wir befinden uns an einem entscheidenden Moment der generativen KI-Entwicklung. Um Innovation und ethische Integrität zu gewährleisten, müssen wir die Kluft zwischen den „zwei Kulturen“ schließen. Dies verlangt gezielte Bemühungen, um interdisziplinäre Teams zu etablieren, die bereit sind, die komplexen Herausforderungen der KI zu meistern. Dem soll auch die europäische KI-Verordnung dienen, die diese nicht zu stoppende Entwicklung rechtlich einhegen will. Aber nur Recht haben, ohne Rechenpower, Rechenleistung, ist nichts und Wunschtraum.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52021PC0206


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Achim Weidner ist ein zertifizierter Social Media Manager (IHK) und Absolvent des Zertifizierungsprogramms (Certificate of Advanced Studies) „Rechtliche Aspekte der IT- und Internet-Compliance“ an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Dieses Programm ist angesiedelt in der Fakultät für Informatik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften und deckt folgende Bereiche ab: Datenschutz, Datensicherheit, Internetrecht sowie Computer- und Internetstrafrecht, ergänzt durch den Aspekt der technischen Datensicherheit.

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